Mnemosyne III, 2 (1935) 299-308


ZUR LUXEMBURGER TERTULLIANHANDSCHRIFT1

VON

J. W. PH. BORLEFFS


Vor einigen Dezennien wurde von van der Vliet 2 und dann aufs neue von Souter 3 aufmerksam gemacht auf die in der Nationalbibliothek zu Luxemburg aufbewahrte Handschrift No. 75, welche einen Teil der Schriften Tertullians enthalt. Der Bibliothekskatalog 4 beschreibt sie folgendermassen "Manuscrit sur papier de la fin du xve siecle 5 - 269 feuillets, fol. 1- 118 a 31 lignes par page, fol. 131 -269 de 37-41 lignes par page. - H. : 270 mm. ; L.: 200 mm. Provient de l'abbaye de Munster a Luxembourg, comme le prouve un ex-libris de Pierre Roberti, abbe de Munster, colle sur le feuillet de garde. (folgt eine Beschreibung des exlibris). Le manuscrit renferme les ouvrages suivants de Tertullien :1. Fol. 1 . (De carne Christi). La suscription manque en grande partie; il n'en reste que les mots : liber unicus qui floruit anno Domini ducentesimo. Qui fidem resurrectionis.. . (Fol. 14 V.) : Finit liber de carne Christi. (Es folgt die Aufzählung der Titel und Anfangsworte der einzelnen Schriften, vgl. Schanz III3 S. 332) 22. Fol. 257 verso. Adversus Hermogenem. Solemus hereticis compendii.. Cet ouvrage, incomplet a la fin, a ete complete aux fol. 268 et 269 par une main du XVIIe siecle". - Die Hs. - im folgenden mit X bezeichnet - ist in einem eckigen Ductus geschrieben, ob in Italien oder in Deutschland ist auf Grund der Schriftform allein schwer zu sagen; doch durfte letzteres aus anderem Grunde, woruber später, wahrscheinlicher sein.

Von derjenigen Partie der Hs. nun, welche die Schrift De Paenitentia enthält, habe ich fur die neue im Wiener Corpus erscheinende Ausgabe dieser Schrift eine Photographie herstellen lassen; schon dieser kurze Abschnitt des Textes gestattet, die Hs., der sonstigen Uberlieferung einzugliedern und ihren Wert ziemlich genau zu bestimmen.

Tert‘s De paenitentia ist in vielen Hss. und Ausgaben überliefert, die sich fur unseren Zweck in zwei Gruppen einteilen lassen. Die eine, jungere, geht nach Kroymann 6 insgesamt auf einen verlorenen Codex Hirsaugiensis zurück; aus ihr kommen für eine Ausgabe von De paenitentia in Betracht Cod. Florentinus Magliabechianus VI 10 (F), Cod. Leidensis lat. 2 (L), endlich eine früher in Wien, jetzt in Neapel befindliche Hs. (V)7 , alle aus dem XV. Jahrhundert, und die erste Ausgabe des Rhenanus (R1), die einen direkten Abdruck des Hirsaugiensis darstellt in jenen Schriften Tertullians, welche, wie auch De paenitentia, im Paterniacensis nicht erhalten waren 8. Die zweite Gruppe umfasst einige zum Teil ältere, mehr oder weniger selbständige Hss., von denen der Trecensis (T) bei weitem die wichtigste ist9; dazu kommen der verschollene Gorziensis (G), den Rhenanus für seine dritte Ausgabe (R3) benutzt hat, und Cod. Florentinus Magliabechianus VI 9 (N) aus dem XV. Jhdt.

X gehört nun zu der ersten, vom Hirsaugiensis abgeleiteten Gruppe, wie sofort die folgenden Stellen erweisen:

De Paenit. 1, 1 (1644, 1 Oehl.) prioris N R3 T : peioris F L R1 V X
" 1, 5 ( 644 13) paenitentiae G N R3 T : patientia F L Rl V X
" 2, 4 ( 645 18) ante conponeret G N R3 T . anteponeret F L Rl V X
" 2, 6 ( 646, 6 ) foras N R T. foris F L V X
" 2,12( 647 1 ) suae GNR3T. om. F L Rl V X
" 9, 3 ( 660, 5 ) mollificandi N. humilificandi FLRVX
" 10, 4 ( 661, 15) superscenditur N R. superscendetur F L V X
" 10, 4 ( 661, 16) tu hos N cod. Divion.. tuos F L R V X 10

Innerhalb dieser Hs.- Gruppe nun bilden LV eine Sondergruppe von geringerem Wert 11; X dagegen gesellt sich zu den besseren Vertretern der ganzen Klasse. Vgl.:

De paenit. 1, 3 (644, 7 ) conuersationem F RX. conuersionem LV
" 1,5 (644, 12) semetipsos execrantur R, seuiret ipsos execuntur F, Siiret ipsos execuntur X : seruire ipsos execuntur LV
" 2, 1 (645, 1 ) augmentum F R, augmentam X. augumentum LV
" 2, 6 (646, 6 ) mundam F R X : nudam LV
" 3, 7 (648, 1 ) utrique FR, utique X : uterque L V
" 4, 3 (650, 5 ) perennat F R X : praemiat LV
" 4, 6 (650, 15). obsequii F R X : praecepti LV
" 6, 5 (653, 12) neue rasus F R X : ne neresus L V
" 6 17 (656, 1 ) semel F R X. solam LV
" 7, 14 (658, 8 ) tibi F R X. ter LV
" 10, 1 (661, 3 ) Plerosque R X, plerusque F. plerunque LV
" 10, 1 (661, 7 ) pereunt F R X. pariunt L, parcunt V
" 11, 4 (663, 1 ) et F R X. etiam LV
" 12, 6 (664, 5 ) Irrationales F R X. irrationabiles LV

Die Zahl der Beweisstellen liesse sich leicht vermehren. Das Ergebnis hieraus wird auch dadurch bestätigt, dass man der grossen Lücke im adv. Marc., die in LV auftritt 12, hier nicht begegnet.

De pat. 1 ( 2, 1 ) : obire FRX, obicere NP (in M ist das Wort verwischt und unlesbar geworden)
" 3 ( 4, 15) subiendae FNX, subeundae R : subiciendae (icien corr. in ien) M, subiciendae (corr. R) P. Das heisst also, die Hirsaugiensisgruppe hatte ursprunglich subiendae, die andere subiciendae, das in M zu subiendae gebessert wurde, und so hat denn auch N subiendae; subeundae in R beruht offenbar nur auf eigener (und falscher) Vermutung des Rhenanus. 
" 8 ( 13, 23) coinquinari F Hirsaug. teste Rhenano, comquari X : com1 municare NMP. Die Vorlage von X hatte also coinqnari.
" 9 (14, 23) enim FX : ergo NMP.

Innerhalb der Gruppe F R X gehen nun R X vielfach zusammen gegen F, wie aus folgenden Stellen ersichtlich ist :

De paenit. 3, 4 (647, 20) inter se RX. : intra se F L V
" 4, 2 (649, 11) dominis R X : deus F L V
" 4, 3 (650,1 ) proleuabit R X : prolauauit F, perlauabit L V .
" 5, 3 (651, 11 ) ita in R, om. X. iam ita in F L V
" 5 3 (651, 12) segregaris R X. segregatis F L V
" 5; 3 (651, 12) in tantum contumaciae adglutinaris RX : om. F LV
" 5, 3 (652, 15) quorum indiuidua cum diabolo amicitia est, quorum paenitentia numquam fidelis R X : quorum paenitentia numquam fidelis, quorum indiuidua cum diabolo amicitia est F L V
" 6, 6 (654, 2 ) tantisper R X : per F L V
" 6, 13 (655, 7 ) collocant R X. collocauit F L V
" 6, 15 (655, 12) seruo R X : uerbo F L V
" 6, 17 (656, 1 ) amplexata R X : implexata F L V
" 6, 19 (656, 6 ) concupiscentiis R X : concupiscentes F L V
" 6, 19 (656, 7 ) obstructi R X : abstructi F, astructi LV
" 7, 5 (657,12) nolunt R X : uolunt F L V
" 7, 9 (657, 25) traditionibus R X : conditionibus F L V
" 7, 10 (657, 29) secundo R X. seculo F L V
" 8, 1 (658, 13) sardos R X. sar FLV
" 8, 3 (658, 21) illic R X : illi F L V
" 9, 2 (660, 2 ) nostrum R X : nostro F L V
" 9, 4 (660 11) dies noctesque R, diesque noctes X, noctos diesque F L V
" 9, 4 (660; 12) aris R X : caris F L V
" 10, 3 (661, 10) de R X. om. F L V
" 10,8 (662,1 ) est damnatum R, e damnata X. condampnatum F, condem(p)notum L V
" 11, 4 (662, 22) pudet R X. pendet F L V.
" 11, 6 (663, g ) offenso R X : offendo F L V

Demgegenüber bedeuten die Stellen, an denen X mit F gegen R übereinstimmt, nicht viel. Vgl. :

De paenit. 3, 4 (647, 20) alioquin R . Adqn X, Adqm F, aber atquin ist die richtige Lesart, statt welcher alioquin wohl nur durch ein Versehen in R gelangt ist.
" 6, 2 (652, 24) desiderandum R, diserandum F X
" 6, 9 (654, 10) fenuo R, rennuo F renuo X
" 7, 4 (657, 8 ) hactenus R : actenus F actinus X
" 9,6 (660, 18) releuat R : reuelat F X
" 10, 10 (662, 5 ) anxiari R. cruciari F X; letzteres ist allein richtig.
" 12, 1 (663, 14) p(o)ena F X " . poenae R.
" 12, 1 (663, 14) suscitentur F X : suscitent R
" 12, 6 (664 8 ) dictamno R : dictamnum F X. letzteres ist richtig, während dictamno wohl nur auf Konjektur des Rhenanus beruht
" 12, 7 (664, 14) praeferente R : praeferentem F X

Bemerkenswert allerdings ist die grosse Übereinstimmung zwischen F und X in den folgenden Abkürzungen. De paenit. 3; 8 (648, 4) . spiritalia R : spalia F X (spiritualia L V) ; 9,1 (659, 20) poenitentiae secundae R, penitentie scde F penitetie scde x; endlich 9, 4 (660, 12) presbyteris R, ppris F X (pris L V), was wohl kaum , dem Zufall zugeschrieben werden darf, sondern wahrscheinlich auf den F X (L V) gemeinsamen Archetypus zurückzuführen ist.

Wo X allein allen andern Vertretern der Gruppe gegenübersteht, beruhen seine Lesarten fast ausnahmslos auf offenkundigen Fehlern, weshalb wir auch für die Textkonstitution fast nichts aus ihm lernen 13. Wenige Beispiele solcher Lesarten werden hier genügen : vgl. 2, 4 (647 6). cur potentiam (statt. paenitentiam) inuadit. 4 7 (650, 19). credi his (statt sibi) . 4, 8 (651, 4).

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Welchen Schluss soll man nun aus diesen Tatsachen ziehen? Es gibt nur zwei Moglichkeiten; entweder stammen F und X zusammen aus einer einzigen, jetzt verschollenen Hs., die selber eine unmittelbare Abschrift des Hirsaugiensis war14, oder X ist, wie auch R1, selber direkt aus dem Hirsaugiensis geflossen, was angesichts der vielen und wichtigen Übereinstimmungen mit R1 (oben S. 303) nicht ausgeschlossen erscheint. Die entscheidende Stelle ist De paenit. 8, 1 (658; 13), wo R1 und X beide Sardos bieten, F L V nur sar. Letzteres kann kein Zufall sein; wir werden uns darum kaum mit der Annahme irren, dass schon die verlorene Hs. im Kloster zu Pforzheim, auf die F direkt, LV zusammen indirekt durch Vermittlung eines einzigen, ebenfalls verlorenen Zwischengliedes 15 zurückzuführen sind, an unserer Stelle sar hatte. Dann aber kann X nicht auch aus jener verschollenen Pforzheimer Hs. stammen 16; er muss vielmehr auf den Hirsaugiensis direkt zurückgehen und wurde somit wahrscheinlich in Deutschland geschrieben wie auch sein Bruder, der Pforzheimer Codex.

Gleichermassen beweisende Stellen wird man aus der Schrift De paenitentia schwerlich anführen können 17. Aber im De patientia gibt es deren eine, welche der vorgenannten an Beweiskraft nahezu gleichkommt. Es heisst dort Kap. 1 (2, 2 Kroymann) : bonum eius (sc. 'patientiae') etiam qui caeca vivunt, summae virtutis appellatione honorant, also die Heiden 18 ehren die patientia als Tugend ebensogut wie die Christen. An dem Ausdrück qui cacca vivunt (so R1) jedoch hat man schon früh Anstoss genommen, obgleich er sich gut verteidigen lasst 19 und einen tadellosen Sinn ergibt : schon Rhenanus wollte statt caeca uiuunt lesen caecutiunt, eine Vermutung, die Vollmer im Thesaurus (III 47, 61) wieder aufgegriffen hat 20. So findet sich denn statt seiner in F qui ex ea uiuunt, während wir in LV nach Oehler que ex ea uiuunt lesen; der diesen drei gemeinsame Archetypus in Pforzheim hatte demnach schon qui ex ea uiuunt. Wie steht es nun mit X ? Wenn dieser ebenfalls aus der Pforzheimer Handschrift entstammte, so wäre zu erwarten, dass er dieselbe Lesart böte, wie F L V 21; ist er aber direkt aus dem Hirsaugiensis geflossen, so muss er mit R1 übereinstimmen. Tatsächlich hat X qui ceca uiuiit, was eine glänzende Bestätigung der Vermutung gibt, dass er ein direkter Sprossling des Hirsaugiensis ist 22.

Ich glaube, diese zwei Stellen genügen schon um einen richtigen Einblick zu gewinnen in das Verhältnis zwischen X und R1 einerseits, X und F L V andrerseits, was eine Untersuchung auch der anderen in X überlieferten Schriten nur bestätigen könnte.Was ergibt sich nun daraus für einen künftigen Herausgeber ? Es ist nach dem Obengesagten klar, dass zur Rekonstruktion des verschollenen Hirsaugiensis theoretisch neben Rl sowohl X wie F und L V in Betracht kommen: aus F L V gewinnen wir zunächst.

die Pforzheimer Handschrift zurück, aus dieser nebst X und R1 den Hirsaugiensis selbst. Somit wären die Lesarten aller dieser Textzeugen im Apparat einer neuen Ausgabe mit anzuführen. Allein in der Praxis lässt sich dieses Verfahren doch wohl betrachtlich vereinfachen. Schon Kroymann hat im Apparat seiner Ausgabe (C S E L vol. 47) ohne merklichen Schaden L V ganz beiseite gelassen und ausschliesslich F zur Kontrolle der Erstausgabe des Rhenanus herangezogen. Ahnliches lasst sich jetzt auf X anwenden; da F an allen entscheidenden Stellen, wo er von X abweicht, ausnahmslos eine schlechtere Lesart aufweist als jener - Beispiele dafür hat der Leser oben in Hülle und Fülle angetroffen -, so kann man ihn ruhig beiseite lassen; sein Wert ist nur noch ein rein historischer; aber wichtig bleibt er insofern als fast die gesamte Tert.-Überlieferung in Italien auf ihn zurückgeht, wie Kroymann erwiesen hat.

Für die Konstitution des Textes also muss F seinen Platz im Apparat in Zukunft der Handschlrift X einräumen, und das sogar noch eher als L V, obgleich diese durchweg fehlerhafter sind als F. Denn L V bilden mit R1 für diejenigen Schriften Tertullians, welche im Agobardinus fehlen, die Grundlage der Oehlerschen Ausgabe, von der wiederum alle späteren Einzelausgaben verschiedener Schriften, soweit diese noch nicht in den bisher erschienenen Teilen des Wiener Corpus veroffentlicht wurden, abhängig sind. Diese Herausgeber nun haben öfters Lesarten aus L V aufgenommen oder auf Grund solcher neue Konjekturen zur Heilung einer verdorbenen oder zweifelhaften Stelle gemacht ; wenn also ein künftiger Herausgeber eine solche Konjektur im Apparat erwähnen wollte, so musste er auch die Lesart von L V mit anführen; sonst bliebe die Emendation unverständlich und täte man deren Urheber Unrecht 23. F hingegen ist von Oehler mit Ausnahme ganz weniger Stellen nicht herangezogen worden und braucht darum auch nicht länger im Apparat einer Ausgabe zu figurieren. höchstens könnten seine Lesarten dort angeführt werden, wo in X offenkundige Fehler auftreten.


1) Zu grossem Dank bin Ich Herrn P. Frieden, Direktor der Nationalbibliothek in Luxemburg, verpflichtet der nicht nur die Hs. auf meine Bitte hin teilweise hat photographieren lassen, sondern auch auf meine Fragen stets in liebenswurdigster Weise Auskunft gegeben hat, desgleichen Herrn G. Burgada, Direktor der Biblioteca nazionale in Neapel für seine Mitteilungen betreffs des ehemaligen cod. Vindobonensis, in nicht geringerem Masse endlich der Akademie der Wissenschaften in Wien, welche mir nachträglich die fur die Photographie gemachten Aufwendungen (man ist damit in Luxemburg nicht gerade billig) zuruckerstattet hat. Auch Frau M. Breemer-Elter (Haag), welche die sprachliche und stilistische Korrektur der vorliegenden Arbeit übernommen hat, sei an dieser Stelle berzlich gedankt.

2) Mnemosyne 18 (1890) S. 66f.

3) In Mayors Ausgabe des Apologeticus, Cambridge 1917 S XVI.

4) Supplement du catalogue de la bibliotheque de Luxembourg, 3me partie, Luxemb, 1894 S. 177. Der Katalog wurde von Herrn N. van Werveke verfaszt.

5) Die Angabe 's X ex.' bei Schanz III 3 S 3.32 beruht wohl auf einem Druckfehler. Van der Vliet wies die Hs. dem XVI. Jhdt. zu; unter dieser Voraussetzung wäre die Moglichkeit nicht ausgeschlossen, dass sie aus einer der drei Ausgaben des Rhenanus (1 1521, 21528, 3 1539) abgeschrieben wäre. Doch ist dies nicht der Fall; aus R1 stammt sie jedenfalls nicht, denn De paenit. 4,8 (Oehlers grosse Ausg. I 650, 19) fehlt dort nos und 9,4 (660, 7) mandat, während unsere Hs. beides hat. Aber auch die späteren Ausgaben des Rhenanus oder von dessen Nachfolger konnen nicht wohl Vorlage gewesen sein: das beweisen schon, abgesehen von Abweichungen in der Lesart, die vielen in der Hs. auftretenden Fehler, z.B. De paenit. 5,10 (652, 8) falsa statt salua, 6, 5 (653,12) pacistimor statt paciscuntur und viele andere; vgl. unten S. 305f. - Die Hs. ist auch nicht identisch wie das auch kaum zu erwarten war, mit dem von Rigaltius benutzten, seither verschollenen Codex Divionensis, für den Rigaltius zu Paenit. 10, 4 (661, 17) ausdrücklich tu hos als Lesart bezeugt; die Luxemburger Hs. hat aber tuos.

6. Die Tert.-Überlieferung in Italien, S B Wien, Phil.-hist. Cl. 138 (1898) S. 1 -32; derselbe : Krit. Vorarb. usw., ebenda 143 (1900) S. 6f. und in der Praefatio seiner Tertullianausgabe, CSEL vol. 47 S. XX.

7. Es ist der ehemalige Vindobonensis 4194, jetzt Neapolitanus lat. 55, der in der biblioteca nazionale 'Vittorio Emanuele III' zu Neapel aufbewahrt wird.

8. Vgl. Kroymann in der Praefatio seiner Ausgabe S. XVI ff.

9. Vgl. Mnemosyne 60 (1932) S. 41 ff. - Einen neuen Text von De paenit. auf Grund des gesamten handschriftlichen Materials, nebst Index Verborum, jedoch ohne kritischen Apparat; habe ich veröffentlicht Mnemosyne 60 (1932) S. 254 ff.; derselbe soll mit ganz wenigen Änderungen und selbstverständlich mit Apparat in dem noch immer ausstehenden zweiten Bande der Tert. Ausgabe des Wiener Corpus wieder abgedruckt werden.

10. Die engere Verwandtschaft von X mit der vom Hirsaugiensis abzuleitenden Gruppe zeigt sich ebenfalls in denjenigen Schriften, welche auch im Paterniacensis (P) und Montepessulanus (M) uberliefert sind, wie das von vornherein zu erwarten ist, zumal X in De paenit. sich deutlich abhebt von N, der seinerseits wahrscheinlich eine Abschrift eines jetzt verloren gegangenen Teiles des Montepessulanus ist (Kroymann Praef. S. XXII). Vgl. folgende Stellen, welche das gegenseitige Verhältnis der beiden Gruppen genügend beleuchten :

De pat. 1 (1, 11 ) : suggestum imus RX, suggestum unus F. suggestu minus P, suggestum inus MN

11) Kroymann, die Tert.-Überlieferung S. 26-30.

12) S. Kroymann, a. a. 0. S. 6 und 27. Der Schluss von Buch III und der Anfang von IV fehlen.

13. Bisweilen gibt X eine richtigere Orthographie, wie De paenit. 6,15 (655, 11) : isdem : 8, 6 (659, 7) : inmolat. 12, 6 (664, 6) : ad tributas. Dass 9, 4, (660, 7) cinere (statt cineri) sich sowohl in X wie bei Isidor Orig. VI 19, 79 findet, ist wohl nur Zufall. Aber 6,6 (654, 4), wo die richtige Lesart meremur (statt meretur) von Rhenanus in R3 vielleicht nur durch Konjektur hergestellt wurde, überliefert X mere2 (am Ende der Zeile) d. h. mereur; vielleicht, hatte also die Vorlage mere2, was einen handschriftlichen Beleg fur meremur ergeben würde; alle anderen Hss. freilich, auch N und T, haben meretur. Ebenso hat 8, 9 (659,17) X als einziger seiner Klasse (nebst GNR3) die richtige Lesart delictum bewahrt, während F RI L V falsch delictorum geben.

14) Diese Hs. ist von Kroymann aus der Subscriptio von Fermittelt worden ; es war eine im Kloster zu Pforzheim aufbewahrte Abschrift des Hirsaugiensis, aus der F im Jahre 1426 von zwei verschiedenen Handen abgeschrieben wurde. Vgl. Kroymann, die Tert.-Überlieferung 5. 13, Krit. Vorarb.5. 6 f. und in der Praefatio seiner Ausgabe 5. XX.

15) Kroymann, die Tert.-Überlieferung S. 30.

16) Denn welcher Abschreiber sollte jemals ein in seiner Vorlage vorgefundenes sar gerade in das als Name der Einwohner der Stadt Sardes höchst seltene Sardos (vgl. Plaut. Miles 44 und Plin N. h. 37; 105 über den Stein sarda; der zuerst in Sardes gefunden sein soll) verbessert haben ? Würde er da nicht vielmehr die gewönliche Namensform Sardianos oder das in N an unserer Stelle überlieferte und z. B. aus Hieronymus Vir. ill. 24 bekannte Sardenses gewahlt haben ? Dass Sardos tatsachlich im Hirsaugiensis überliefert war; steht durch Rl fest; auch Pacian epist. 1, 5 in seiner Nachahmung unserer Stelle hat die gleiche Form.

17) Wenn man unsere Hypothese als begründet betrachtet, so kommen naturlich die S. 303 f. angefuhrten Stellen zum Beweise hinzu.

18) Vgl. z. B. Min. Fel. 3, 1 : in hac imperitiae vulgaris caecitate, 28, 2 : adhuc caeci et hebetes; Tert. de bapt. 1, 1 : ablutis delictis pristinae caecitatis, ad Nat. l 4, 9: pro stultitiae caecitate, de paenit. 1, 1 : caeci sine domini lumine und an vielen anderen Stellen : vgl. J. Lortz, Tert. als Apologet l 1927 S. 37 ff.

19) S. Kroymann zur Stelle und Mnemos. 60 (1932) S. 89 Anm. 2.

20) In Oehlers Ausgabe steht qui extra eam vivunt, was einer wertlosen Hs. in Florenz entnommen ist.

21) Denn keiner, der ex ea schon vorfand, würde dies selbständig in caeca zürückgebessert haben.

22) Der Schluss aus dieser Stelle allein ist allerdings noch nicht durchaus zwingend. Denn an sich ware mit der Möglichkeit zu rechnen, dass in der Hs. in Pforzheim caeca stand mit übergeschriebenem ex ea, sodass in ihren Nachkommen die beiden Lesarten nebeneinander hätten auftauchen können.Allein in Hinblick auf die vorige Stelle (sardos) und angesichts der grossen Zahl und Wichtigkeit der Unterschiede zwischen X einerseits und FLV andrerseits dürfte diese Möglichkeit doch wohl ausser Betracht bleiben. Auch in der Schrift De patientia, welche Rhenanus aus dem Paterniacensis herausgab, sind die Lesarten von X durchweg identisch mit denen, die von Rhenanus am Rande seiner Ausgabe aus dem Hirsaugiensis mit Namen angeführt sind, mit zwei Ausnahmen, die aber nicht viel bedeuten : Kap. 3 (5p 1 Kroymann) hatte der Hirsaugiensis statt structio nach Rhenanus instructio. X bietet instructo, das aber, wie jedermann sofort erkennt, ein einfacher Schreibfehler statt instructio ist. Und Kap. 5 (8, 6) liest man in X succubuit statt des im Paterniacensis überlieferten succidit, wahrend Rhenanus für den Hirsaugiensis ausdrücklich cubuit bezeugt. Hier lage also ein wirklicher Unterschied vor, der sich aber beheben lasst mit der Annahme, dass das von Rhenanus bezeugte cubuit als Variante nur zur zweiten Halfte des Wortes (suc)cidit gemeint ware, so dass auch im Hirsaugiensis succubuit gestanden haben könnte. Wie sollte sonst auch letzteres in FLVX hinein gekommen sein ? Im Ubrigen hat auch F(LV) an allen Stellen von De pat., zu denen Rhenanus Lesarten aus dem Hirsaugiensis mitteilt, genau dasselbe wie dieser und X, sodass die Frage, ob X direkt auf den Hirsaugiensis zuruckgeht, auf Grund dieser Stellen allein sich leider nicht entscheiden lasst.

23) Ein Beispiel möge das Obengesagte naher beleuchten. De paenit. 6, 5 habe ich (Mnemos. 60 [1932] S. 49-54) aus dem Trecensis folgenden Text hergestellt : Si ergo qui venditant prius nummum quo paciscuntur examinant, ne scalptus, ne uersus, ne adulter usw. statt ne uersus bieten die meisten anderen Hss. neue rasus, LV aber ne neresus, die direkte Vorlage dieser beiden also hatte wohl ne ueresus. Es ist möglich, dass in diesem Falle LV ausnahmsweise etwas vom Ursprünglichen bewahrt haben, denn wie ein neue rasus, das scheinbar einen guten Sinn ergibt, in ne neresus hatte verdorben werden können, ist nicht leicht einzusehen. Es dürfte sich somit empfehlen, dieses ne neresus als Stutze und Bestatigung für das in Tuberlieferte ne uersus im Apparat zu erwahnen, wenngleich der Sachverhalt nicht ganz eindeutig ist. Aber auch wenn man in ne neresus nur eine einfache Korruptel aus neue rasus sehen will, verdient es im Apparat Erwahnung. Denn ne neresus ist in V von irgendeiner Hand in ne peresus verbessert worden, was Oehler (falsch) als einzige und ursprungliche Lesart in V vermeldet. Dieses peresus wiederum hat Rauschen in seiner Ausgabe (nebst De pudic., Bonn 1915) auf Grund des Oehlerschen Apparates als handschriftlich beglaubigte Lesart in den Text aufgenommen. Wenn nun ein kunftiger Herausgeber in seinem Apparat nur 'ne peresus Rauschen' vermeldete ohne die Lesart von LV hinzuzufugen, tate er damit dem Andenken des verdienten Gelehrten grosses Unrecht, indem er ihm eine unverständliche und unnötige Konjektur unterschieben würde. Andere Falle dieser Art liessen sich leicht anfuhren

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